EQUITANA-Aspekte: Grande Dame trifft Nachwuchsamazone

 Wir haben lange geschwankt, unter welche Überschrift wir die Begegnung zwischen Linda Tellington-Jones und Semmieke Rothenberger stellen sollten. „Treffen der Generationen“ klang zwar ein bisschen nach Raumschiff Enterprise, hätte aber ganz gut umrissen, wie die 79jährige „Grande Dame“ des achtsamen Umgangs mit dem Partner Pferd ihr Wissen an die mehrfache U-18-Europameisterin der Dressurreiter weitergibt. Weil es das Vorurteil aber so will, dass sich gerade Dressurreiter schwer damit tun, von Pferdemenschen aus anderen Disziplinen zu lernen, fiel die Wahl auf „Blick über den Tellerrand“.

 Noch kurz bevor die beiden den Ring in Halle 2 betraten, um dem Publikum zu demonstrieren, wie „Horsemanship“ und Leistungssport zusammengehen, hatten sie sich darüber unterhalten, dass man zwar vieles planen und managen kann, dass aber der Focus letztendlich immer auf dem Pferd liegen muss und darauf, was es zu geben in der Lage ist – und dass man notfalls einen Gang zurückschalten und auf Plan B zurückgreifen muss.

 Und genau dieser Plan B war dann gefragt, als sich „Gastpferd“ Amadeus an seinem erst zweiten Equitana-Tag von der Atmosphäre im Ring überfordert zeigte. Linda musste „umschalten“ und versuchen, so auf das Pferd einzuwirken, dass es den Ring trotzdem beruhigt wieder verlassen konnte, während Semmieke nur via Mikro ein wenig von der Zusammenarbeit der beiden erzählen konnte.

Diese begann im Oktober 2015, als Linda gemeinsam mit der damals sechzehnjährigen Nachwuchs-Amazone via Skype versuchte, den Zustand eines schwer erkrankten Ponys zu lindern.

 „Sie hat mir damals gezeigt, dass man mit geringen Mitteln viel Wohltuendes erreichen kann und vor allem nicht hilflos daneben stehen muss, wenn es einem vierbeinigen Familienmitglied schlecht geht“, so Semmieke im Anschluss an die Ring-Demo im Talk auf unserer Bühne. Kurz nach dem Kennenlernen aus der Ferne besuchte Linda Semmieke erstmals auf dem Hof der Familie in Bad Homburg, um die junge Reiterin und ihre Pferde persönlich kennenzulernen. „Sie hat die Persönlichkeiten meiner Stuten schnell durchschaut“, so Semmieke. „Erst hat sie mir im Stall gezeigt, wie ich die verschiedenen TTouches anwenden kann. Als sie dann vorgeschlagen hat, mit meinem Juniorenpferd Geisha im Stangenlabyrinth zu arbeiten, war ich erst skeptisch, weil Geisha in bestimmten Situationen sehr unsicher werden kann. Tatsächlich hatte sie aber am Labyrinth großen Spaß, und es gab eine ungeahnte ‚Nebenwirkung‘: In Prüfungen konnte sich Geishas Unsicherheit damals in einem zögerlichen oder hektischen Rückwärtsrichten zeigen. Durch die Arbeit im Labyrinth hat sie offenbar ein besseres Gespür für ihre Füße bekommen; unsere Noten sind hier viel besser geworden.“

 Was aber, so eine Frage an die jetzt Siebzehnjährige, wenn man 800 Kilometer zu einer Europameisterschaft gefahren ist und für den Erfolg des Teams mit verantwortlich ist? Wie reagiert man dann, wenn einem Pferd die Nerven flattern? Auch in solchen Situationen kann die junge Reiterin auf ihre Erfahrungen mit Linda Tellington-Jones zurückgreifen: „Wenn ich zum Beispiel auf dem Turnier in Wiesbaden im Sattel den langen Weg vom Stall zum Abreiteplatz durch die vielen Menschen antrete, stelle ich mir vor, wie es sich anfühlt, wenn ich mit Linda mit dem Pferd arbeite. Dann atme ich ruhiger, und das merkt mein Pferd, und dann kann ich die Strecke ganz gelassen reiten.“

 Was Linda, die unterdessen den Zuschauern demonstriert hatte, wie sie sich mit dem „Heart Hug“ ganz einfach selbst beruhigen können, glücklich mit dem Fazit kommentierte: „Mit meiner Arbeit kann ich helfen, Freizeitpferde sicherer zu machen und Sportpferde erfolgreicher.“

Über die Begegnung zwischen Linda Tellington-Jones und Semmieke Rothenberger wird das Magazin St. Georg, dessen Redakteurin während des Talks der beiden an unserem Stand war, auf seinen „Georgie“-Seiten berichten.